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iCloud – Lösung für den Datenaustausch?

Von am 15.06.2011

Als Apple mit dem iPhone der ersten Version 2007 den Smartphonemarkt aufrüttelte, wurden die offensichtlichen Einschränkungen des Geräts von vielen Fans nach der Devise “nur das was der User wirklich braucht, aber das perfekt” problemlos akzeptiert. Tatsächlich ist eine der wichtigsten Einschränkungen, die fast völlige Abschottung der Programme untereinander, aus Securitysicht eine zwar radikale aber jedenfalls wirksame Maßnahme. Der vernetzte User, der Daten aus diversen Quellen erhält, bearbeitet und weitergeben möchte, ist mit der Einschränkung meist nicht so glücklich.

Denn das Securitykonzept für Apps beinhaltet auch die völlige Abschottung der Daten von Apps im Filesystem. Zwar können Apps durchaus auf das Filesystem zugreifen, dieser Zugriff ist aber auf den eigenen privaten Space der Applikation eingeschränkt. Somit kann eine Applikation auf die Daten, welche eine andere Applikation geschrieben hat, weder lesend noch schreibend zugreifen.

Das bedeutet unter anderem, dass Dateien, die per Mail, Webbrowser oder einer anderen Applikation geladen werden nicht für die spätere Weiterverwendung einfach abgespeichert  und später von einem anderen Programm aufgerufen werden können. In den ersten Versionen von iOS konnten per Mail geladene Daten zwar angezeigt werden (zumindest, wenn die Mail-App die Datenformate lesen konnte, was nur auf die gängigsten Typen zutraf), aber weder gespeichert, noch verändert und schon gar nicht verändert und dann weiter geschickt werden. Schon die Aufgabe ein Dokument eines Kollegen mobil kurz durchzulesen und mit kleinen Änderungen zurückzuschicken, wurde somit unmöglich gemacht.

Aufweichung des Prinzips:

Obwohl die Abschottung des Dateisystems bis heute in iOS unverrückbar vorhanden ist, wurden mittlerweile einige Aufweichungen des offensichtlich zu starren Systems eingebaut:

  • Fotos und Videos werden von den mitgelieferten Programmen von iOS in der “Camera Roll” gespeichert. Zwar können Apps unter IOS nicht direkt auf diesen Speicherbereich zugreifen, im iOS-API werden aber Funktionen zum Anzeigen und Übernehmen von Bildern und Videos angeboten. Apps können also auf die gespeicherten Bilder und Videos zugreifen. Auf ähnliche Weise kann auf Songs zugegriffen werden. Der Rückweg ist aber auf diese Art nicht möglich.
  • iCloud – Lösung für den Datenaustausch?Seit Ende 2010 (iOS 4.2) können sich Apps für bestimmte Filetypen als “Destination” registrieren. Applikationen (z.B. das Mail-Programm), die Files erhalten, mit denen sie nicht direkt umgehen können oder wollen, können diese an andere Apps, die sich für diesen Filetyp registriert haben, weiterleiten. Haben sich mehrere Apps für einen Filetyp registriert, muss der User auswählen, an welche App er die Datei schicken will. In der Abbildung sieht man Mail, welches ein PDF an Evernote oder iBooks weiterliefern kann.
    Problematisch ist, dass dieses Feature nur von neueren Programmen unterstützt wird (bzw. dass es explizit programmiert werden muss) und dass Apps, die eine Vielzahl an Formaten unterstützen, auch eine Vielzahl an Registrierungen vornehmen müssen. Damit könnte die Liste der verfügbaren Programme für einen Typ schnell sehr lang werden. Eine weitere Komplexität ergibt sich in der täglichen Arbeit beim Suchen von einmal gespeicherten Dokumenten: “Habe ich das PDF nun in iBooks oder in Evernote abgelegt oder doch in einem anderen Programm, das ich mittlerweile (samt Daten) gelöscht habe?”.
  • Um Daten zwischen dem iPhone/iPad und einem Desktop (PC, Mac) zu übertragen, kann auf iTunes-Filesharing zurückgegriffen werden. Die Datenverzeichnisse von Apps, die iTunes Filesharing unterstützen, werden beim Synchronisieren mit iTunes übertragen und können am Desktopgerät ausgelesen bzw. beschrieben werden. Auf diese Weise kann z.B. eine Präsentation in Keynotes am Desktop erstellt, in iTunes gespeichert werden und steht nach dem nächsten Sync der mobilen Keynotes-App zur Verfügung. Auf dem Desktop ist es somit auch möglich Daten einer App in das Verzeichnis einer anderen App zu transferieren, direkt am mobilen Gerät geht das aber nicht, da die Filebereiche im iTunes Store wieder strikt voneinander getrennt sind.
  • WebDAV ist ein auf HTTP aufbauendes Protokoll zur Dateiübertragung. Von den Möglichkeiten her ist es FTP ähnlich. Viele gängige Desktopbetriebssysteme können Verzeichnisse ihres Filesystems als WebDAV-Share freigeben. In iOS wurde der Zugirff auf WebDAV-Shares in die API integriert. Damit können Apps, die WebDAV-Zugriff implementieren per drahtloser Datenverbindung auf einen WebDAV-Server zugreifen. Das größte Problem für Privatuser dürfte sein, dass sie über keinen WebDAV-fähigen Server verfügen. Auch im Unternehmensbereich ist der Zugriff auf die Unternehmensdaten per WebDAV  keine Selbstverständlichkeit. Schön an der Lösung ist aber, dass WebDAV ein offener Standard ist, der von vielen Herstellern unterstützt wird.
  • Eine weitere Variante sind Filesync-Utilities wie DropBox oder Evernote (ok, Evernote ist mehr als nur ein Sync-Utility). Diese Programme halten ein Verzeichnis mit allen Inhalten auf mehreren Rechnern über das Internet synchron. Files, die ich am Mac in einen Dropbox-enabled Ordner stecke, werden zum Dropbox-Server geschickt und von dort aus auf alle meine anderen Dropbox-Installationen weitergeschickt.
    Auf dem iPhone/iPad ist Dropbox aber auch nur eine normale App. Dropbox kann zwar die Daten mit dem Dropbox-Server synchronieren und lokal im eigenen Verzeichnis speichern. Um die Dateien an andere Apps weiterzugeben muss es aber auf die oben angeführten Methoden zurückgreifen.

iCloud als Lösung?

iCloud ist im Prinzip nichts anderes als eine von Apple zur Verfügung stehende große Festplatte im Internet, auf der Daten gespeichert werden können (genau so möchte Apple NICHT, dass man iCloud sieht, aber so ist es dennoch im Grundprinzip).

iCloud ist damit bezogen auf die Datenservices vergleichbar mit einem öffentlichen WebDAV-Server. 5 GB pro User sind frei, danach verlangt Apple (verständlicherweise) Geld für den Speicherplatz. Interessant wird iCloud vor allem dadurch, dass Apple angekündigt hat, dass alle Appleprogramme ihre Daten zukünftig mit iCloud synchronisieren können. Damit soll die Synchronisation von Kalenderdaten, Mail-Dokumente, Lieder, … over the Air möglich werden.

Andererseits geht das heute meist auch schon:

Mail-, Kontakte- und Kalendersynchronisation gab es schon in Mobile.me (diesen Dienst lässt Apple jetzt zugunsten von iCloud auf). Dem Business-User hat das aber noch nie viel geholfen. Denn der speichert diese Informationen zumeist auf einem Exchange-Server, der ohnehin alle diese Informationen zentral speichert. Und die Synchronisierung zu diesem funktioniert auch schon seit längerem ganz gut (wenn es sich denn um einen echten Exchangeserver handelt und nicht um Scalix). Privatanwender, die die völlig überzogenen Preise von Mobile.me nicht akzeptieren wollten, verzichteten auf die Synchronisation “over the air” für den Kalender und die Kontakte (die konnten sie zumindest kabelgebunden per iTunes synchronisieren), konnten aber zumindest auf ihre eMails per IMAP online zugreifen. Besitzer eines Google- oder Yahoo-Accounts konnten ebenfalls alle 3 Datentypen online synchronisieren.

Apple zieht mit iCloud hier nach, bringt aber für Business-User nichts Neues. Im Gegenteil, denn aus Sicht eines Unternehmens ist die Speicherung unternehmenskritischer Daten in der Apple Cloud oft nicht akzeptabel. Hier wäre eine Einbindung der neues Services, die mit iCloud kommen, in die verfügbaren WebDAV-Dienste interessanter gewesen.

Ein Highlight für Privatuser ist sicher auch die Synchronisation von Songs, vor allem da Apple hier einen Dienst anbieten will, der die Songs der lokalen Festplatte (die Sammlung der letzten 10 Jahre) nicht  wirklich in die Cloud hochlädt, sondern nur die lokalen Songs identifiziert und dann den gleichen Song aus iTunes online freischaltet und in die iCloud (virtuell) übernimmt. Für diesen Dienst muss man allerdings wieder mit Extrakosten rechnen. Dafür werden sogar hochwertigere Aufnahmen (höhere Bitrate) aus iTunes geliefert, als man selbst hatte. Für Musikfreaks mit großer Sammlung ist das sicher ein sehr interessantes Angebot. Wie Apple verhindert, dass man auf diese Art alle Songs einer “ausgeborgten Festplatte mit den Millionen von mp3s” freischaltet, bleibt derzeit noch offen.

Und es bleibt auch eine wichtige Frage offen. Wie verfährt Apple mit den Files, die man in der iCloud speichert. Sind diese wieder pro Applikation getrennt, oder kann man wie auf einen WebDav-Server zugreifen und mit einer App ein File schreiben und mit einer anderen lesen?

Dann könnte ich mit App A Dateien in der iCloud speichern und mit App B auf einem anderen Gerät (in den meisten Fällen aber mit dem selben Gerät) diese Datei wieder aus der iCloud lesen. Vielleicht kann ich aber auch meine Dateien in der iCloud für andere freigeben (so wie Dropbox das kann) und somit gemeinsam arbeiten und Files zu meinem Sitznachbarn übertragen.

Aber wäre es dann nicht einfacher, wenn zwei Apps auf meinem iPhone doch auf ein gemeinsames Filesystem zugreifen könnten? Dann würde ich mir nämlich die 2-fache Übertragung übers Internet sparen. Das käme nicht nur meinem integrierten Datenvolumen entgegen, sondern auch meinen Nerven, denn nicht immer habe ich eine perfekte HSDPA-Verbindung. Von den Kosten im Ausland will ich gar nicht reden. Und die Übertragung einer Datei zu meinem Nachbarn? Die wäre per Bluetooth wohl auch schneller und billiger. Und könnte man Daten nicht auch per CF-Karte übertragen? Einen entsprechenden Adapter zum Einlesen der Speicherkarte des Fotoapparats gibt’s ja auch schon – auch wenn dieser (künstlich) auf das Einlesen von Bildern in die Photo Roll eingeschränkt ist.

Fazit:

Für die glücklichen Besitzer zu vieler Geräte (Standmac, iBook, iPhone, iPad, …) ist das Speichern der Daten in der iCloud sicher ein interessanter Aspekt,  weil alle Daten auf allen Geräten immer verfügbar sind. Schnelle Datenverbindungen (am besten per WLAN) sind aber kein Nachteil! Die Problematik der ungenügend ausgeführten Datenaustauschmöglichkeiten in iOS werden aber mit der iCloud nicht gelöst. Auch konzeptionell bringt Apple mit der iCloud nichts Neues. Vielmehr verbindet es eine Reihe bekannter Dienste und gibt dem Ganzen einen einem Namen.

Und dieses Neue wird fix in alle Apple-Produkte integriert (besser als es die Konkurrenz integrieren könnte, da deren Apps ja wieder künstlichen Beschränkungen unterliegen, die Apples Produkte nicht fürchten müssen), lässt sich perfekt bedienen (das konnte Apple schon immer gut) und bringt den geplagten Apple-Usern (wie mir) einen definitiven Mehrwert, da künstliche und oft sinnlose Beschränkungen des Systems damit schrittweise wieder ausgehebelt werden.

Die Hoffnung stirbt zuletzt:

Vielleicht liefert Apple ja in iOS 6 dann iStorage – einen übergreifenen Storageplatz, in dem alle Apps speichern und lesen können, ausführbare Dateien aus Sicherheitgründen untersagt sind und die Zugriffsrechte auf die Files vom User für einzelne Apps verändert werden können?

Nein? Zu kompliziert? Zu gefährlich? Schade!

PS: Kann mir jemand verraten, wie ich ein auf iPhone A aufgenommenes Video zu iPhone B übertragen kann und dort (in der Photo Roll) speichern kann. Dann könnten nämlich mehrere Personen einen Event parallel mit mehreren iPhones filmen und die Einzelvideos dann mit iMovie auf einem der iPhones zusammensetzen und gleich veröffentlichen -> und das ohne für die Übertragung auf einen PC zugreifen zu müssen. Die iCloud könnte dafür die Lösung bringen …

1 Kommentar

  • Jochen am 11.10.2011 um 10:29

    Gute Zusammenfassung!

    Ein paar Bemerkungen: anders als andere Dienste synchronisiert iCloud Dokumente im Hintergrund und zwar während du an ihnen arbeitest. In dem Moment wo du das Gerät wechselst, ist es je nach Connectivity sofort lokal dort. Das ist fast wie Dropbox, nur ohne file system … und nicht ohne Grund wollte Apple Dropbox ja auch kaufen. Zusätzlich können iWork Dokumente auch in der Cloud via Browser betrachtet und kommentiert (und je nach Berechtigung in verschiedenen Formaten heruntergeladen) werden.
    Dank APIs können Entwickler iCloud auch für Mac und PC desktop apps (und andere mobile platforms) nutzen. Es gibt sicher noch mehr Aspekte, die erst in Kürze offensichtlich werden.

    Für dein Foto/Video Austausch bietet sich natürlich iMessage und Platform übergreifend WhatsApp oder die email an (ich weiß allerdings jetzt nicht, in wie weit die evtl. komprimieren). Alle erlauben das sichern in deiner Mediathek.

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