Usability von iPad Apps und Websites

Usability von iPad Apps und Websites

Von am 10.02.2012

Unlängst hat die Nielsen Norman Group ihren zweiten Bericht über die Usability von iPad Apps und Websites gratis auf ihrer Website online gestellt. Der Usabitlity-Test erfolgte ungefähr ein Jahr nach dem ersten Test, bei dem die Experten teilweise gravierende Probleme bei Apps und Websites festgestellt hatten. Sind die Entwickler nun schlauer geworden, oder existieren noch immer die gleichen Schwachstellen? Die wichtigsten Erkenntnisse sind hier für alle zusammengefasst.

Das Testsetup und die Testmethode

Getestet wurden 26 iPad Apps und 6 Websites von 8 Männern und 8 Frauen. Von diesen 16 Usern waren 14 zwischen 21 und 50 Jahren und 2 Personen älter als 50. Alle hatten mindestens 2 Monate Erfahrung mit dem iPad und konnten dieses grundsätzlich gut bedienen. Keine der Testpersonen hatte besonderes technisches Hintergrundwissen um dadurch eine Verfälschung des Tests zu verhindern.

Die Testdurchführung bestand aus den drei folgenden Schritten:

  1. Beantworten allgemeiner Fragen über die Benutzungsgewohnheiten des iPads
  2. Kurzes Gespräch über die Apps, die auf dem persönlichen iPad installiert sind und Demonstration einfacher ad-hoc Tasks
  3. Schrittweises und eigenständiges Ausführen der Tasks, die zu bestimmten Apps und Websites vorgegeben werden. Die Testpersonen sollten dabei ihre Gedanken kommunizieren

Die Benutzungsgewohnheiten

Die Auswertung des ersten Schritts zeigte, dass der Konsum von Medien die häufigste Tätigkeit mit dem iPad ist. Das Spielen von iPad Games wird von beinahe allen Testpersonen genannt. Außerdem wird das iPad zum checken von Emails und Social Network Sites genutzt, zum Filme und Videos ansehen und zum Lesen von Nachrichten. Keine der Testpersonen lebte alleine und die Gespräche zeigten, dass das iPad mit den anderen Personen im Haushalt geteilt wird. Somit ist das iPad nicht als ein so persönlicher Gegenstand wie das Smartphone einzuordnen. Die Hälfte der Personen erzählten, dass sie das iPad die meiste Zeit dabei haben, wohingegen die andere Hälfte das iPad hauptsächlich zu Hause oder auf längeren Fahrten in Verwendung haben.

App oder Website

Bei dem Test wurden auch einige Websites und die analogen Apps getestet. Hier konnte festgestellt werden, dass die Tasks auf den Websites komplett erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Bei der entsprechenden App hingegen wurde ein Drittel der Tasks von den Benutzern nicht erfolgreich durchgeführt.

Zurückzuführen ist diese Tatsache auf die folgenden Punkte:

  • Die App enthält weniger Informationen als die Website. Platzsparende Inhalte sind auf Smartphones möglich, allerdings auf größeren Devices nicht von den Benutzern gewünscht.
  • Die App ist verwirrend für den Benutzer oder er muss mehr dafür tun. Dies äußert sich z.B. durch ungewöhnliche Menüs, bei denen der Benutzer nicht auf bekanntes Wissen zurückgreifen kann, oder durch eine verpflichtende Benutzerregistrierung um die gleichen Inhalte der Website in der App zu finden.

Nicht jeder muss eine App für seine Kunden zur Verfügung stellen, aber wenn, dann sollte man die folgenden Dinge berücksichtigen.

  • Die App ist für wiederkehrende Benutzer designed und nicht für eine einmalige Verwendung
  • Die App bietet einen klaren Mehrwert im Vergleich zu der Website
  • Die App ist genauso leicht zugänglich wie die Website
  • Die App ist speziell für ein Tablet designed und nicht für Smartphones. Dies bezieht sich nicht nur auf die Größe des Geräts, sondern auch auf den Kontext in dem es verwendet wird. Benutzer eines Tablets haben es meistens nicht so eilig, wie die User eines Smartphones.

Erkenntnisse

Touchscreen

Ein häufiges Problem trat bei der Benutzung des Touchscreens auf, wenn die benutzbaren Elemente der App zu klein waren. Das typische Fat-Finger-Problem, das durch Vergrößern der Elemente behoben werden kann. Es wird eine Mindestgröße von 1x1cm empfohlen. Kleinere Elemente sind außerdem schwerer für den Benutzer zu finden. Eine weitere Ausprägung des Fat-Finger-Problems tritt auf, wenn Elemente zu Nahe beisammen platziert sind und man dadurch versehentlich das falsche Element anwählt. Bei interagierbaren Inhalten in Tabellenform ist darauf zu achten, dass die ganze Zelle auf das Touch-Event reagiert um dem Benutzer größtmögliche Fläche zu bieten.

Interagierbare Elemente

Benutzer müssen wissen, welche Elemente interagierbar, und somit mit dem Finger anwählbar sind. Dies ist beim Design der Buttons und der Auswahl der Icons ein sehr wichtiger Schritt, den man nicht vernachlässigen sollte.

Benutzereingaben minimieren

Das tippen auf einem Tablet ist zwar einfacher als auf einem Smartphone, trotzdem tippt der durchschnittliche Benutzer darauf nur ungern lange Texte. Die App sollte den Benutzer dabei unterstützen, dass er so wenig wie möglich tippen muss. Anregungen um dies umzusetzen sind

  • Wenn möglich Informationen berechnen anstatt sie eintippen zu lassen. (z.B. Auswahl der Stadt nach eingeben einer Postleitzahl)
  • Rechtschreibfehler tolerieren und Korrekturen vorschlagen
  • Eingaben speichern und dem Benutzer später wieder zur Verfügung stellen
  • Sinnvolle Default-Werte für den Benutzer liefern
  • Den Benutzer eingeloggt lassen oder besser dem User die Entscheidung lassen, ob er eingeloggt bleiben möchte

Popovers und Modal Views

Viele Apps verwenden Popovers und Modal Views um Informationen anzuzeigen. Beide Varianten nutzen aber nicht den gesamten Platz des Displays aus und sind daher schlecht geeignet, um größere Informationsmengen anzuzeigen. Scrollen im Popover verwirrt den Benutzer zusätzlich und sollte vermieden werden. Eine normale zusätzliche Seite ist in vielen Fällen besser geeignet.

Gesten

Der Einsatz von Swipen zum Navigieren in gewissen Anwendungen ist gut, da es hohe Akzeptanz bei vielen Leuten findet. Es ist allerdings darauf zu achten, dass genug Platz für die Geste zur Verfügung steht. Wird beim Swipe-Versuch fälschlich ein Element berührt, so ist dies nicht angenehm für den User. Eingeblendete Hinweise für den Benutzer um die Swipe-Möglichkeiten zu finden sind sehr zu empfehlen.

Back Button

Auf Geräten mit Touchscreen kommt es häufiger zu unbeabsichtigten Touchevents des Benutzers. In solchen Fällen ist der Back Button eine große Hilfe um den Benutzer auf seine ursprüngliche Seite zu bringen. Die getesteten Apps bieten unterschiedliche Ausprägungen beim Verhalten des Back Buttons. Im Idealfall ist es auf allen Seiten möglich den Back Button zu benutzen und den Benutzer auf seine zuvor besuchte Seite zurückzubringen, auch wenn diese z.B. eine Ergebnisseite einer Suche war.

Horizontale Navigation

Horizontale Navigationselemente, sogenannte Carousels,  kommen häufig bei iPad Apps zum Einsatz. Grundsätzlich wird diese Form der Navigation gut von den Benutzern verstanden. Verwirrend wird das Ganze, sobald mehrere Carousels auf einer Seite zu finden sind. Carousels sind ebenfalls schlecht geeignet, wenn sie zu viele Elemente beinhalten, da sie dann den User schnell überfordern.

Bildschirmausrichtung

Viele Apps sind nur im Hoch- oder Querformat zu verwenden. Benutzer neigen allgemein dazu, in gewissen Fällen die Bildschirmausrichtung wechseln zu wollen, deshalb wird empfohlen, dass Apps dies zulassen sollen. Wichtig ist dabei, dass die Navigation konsistent bleibt und sich nicht ändert.

Der angezeigte Inhalt sollte bei beiden Bildschirmausrichtungen der gleiche sein oder die App muss den Benutzer darüber informieren, dass er zusätzlichen Inhalt durch drehen des Tablets erhält.

Downloads

Beim Download von Inhalten ist es wichtig den Benutzer über den Fortschritt mittels Ladebalken zu informieren. Experten sind der Meinung, dass ein durchschnittlicher User nach 20 Sekunden Wartezeit ungeduldig wird und das Interesse verliert. Ist mit längeren Downloadzeiten zu rechnen sollte der Benutzer in gewisser Form unterhalten werden. Eine Vorschau auf den Inhalt, der bereits verfügbare Inhalt oder Tipps wie die App zu bedienen ist sind hier zu empfehlen.

Splash Screens

Splash Screens die direkt nach dem Start der App angezeigt werden, sind in den meisten Fällen vom Benutzer nicht gewünscht und werden als störend empfunden. Dies trifft besonders zu, wenn sie Audio- oder Videoelemente enthalten.

Bedienungsanleitungen

In den meisten Fällen werden umfangreiche Bedienungsanleitungen schlichtweg ignoriert. Dies kann verhindert werden, wenn sie simpel gehalten werden oder während Ladezeiten angezeigt werden. Um die Anleitungen einfach zu halten sollte man nicht mehrere Features auf einmal beleuchten und den Fokus auf die wirklich wichtigen Funktionen legen.

Workflow

Der Bericht erwähnt, dass die Benutzer gelegentliche Probleme mit dem Workflow von Apps hatten. Unklarheiten über den nächsten Schritt und schlecht platzierte Bedienelemente werden als die häufigsten Schwachstellen genannt.

Um einen guten Arbeitsablauf bereitzustellen, muss die Hauptaufgabe der App so schnell und einfach wie möglich vom Benutzer erledigt werden können. Nebensächliche Funktionen sollten erst nach dem Erfüllen der Hauptaufgabe erfolgen. Bedienelemente die zum Erfüllen einer bestimmen Aufgabenstellung dienen sollten nebeneinander angeordnet werden.

Resümee

Im Großen und Ganzen sind die Usability-Probleme im Vergleich zu dem Test des Jahres zuvor weniger geworden. Konsistentere und teilweise standardisierte Designs bei den Apps erleichtern die Benutzung für Benutzer. Alte Probleme, wie zu kleine oder nicht als solche erkennbare Interaktionselemente und der Unmut von Benutzern längere Eingaben tätigen zu müssen existierend dennoch. Unter den neuen Entdeckungen ist die Rückkehr der Splash Screens als längst vergessenes Übel zu erwähnen. Wie beim Browsen am Desktop-Rechner bieten sie auch auf den Tablets keinen Mehrwert, sondern nerven den Benutzer spätestens, wenn er den gleichen Splash Screen auch beim zehnten Start der App immer noch zu sehen bekommt. Übermäßiger Einsatz von Swipe-Möglichkeiten auf einem Screen lässt die Benutzer überfordert mit dem Finger auf dem iPad in alle möglichen Himmelsrichtungen gleiten. Zu viele Navigationselemente und Inhalt der zu klein präsentiert wird, machen so manche App zu einer Herausforderung für den User. Dieser wird sich aber in den seltensten Fällen damit auseinandersetzen, sondern lässt die App im virtuellen Mistkübel verschwinden und stöbert im Market nach einem Konkurrenzprodukt mit besserer Usability.

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