Von der Idee zur App – oder doch lieber eine Web-Anwendung?
Von Günther Sieberth am 15.12.2010
Der Absatz von Smartphones ist in letzter Zeit rapide angestiegen und die Anzahl der verfügbaren Apps nimmt täglich zu. Jedes Unternehmen, so scheint es, will eine eigene App für ihre Kunden zur Verfügung stellen. Doch ist eine App immer die Lösung? Oder sollte man besser eine Web-Andwendung machen?
Ein sehr informativer Vortrag zu diesem Thema wurde auf der iPhone Developer Conference in Köln gehalten. Betitelt Von der Idee zur App und von Bernd Lindemann, Geschäftsführer der Agentur digitalmobil, präsentiert. Ich werde in diesem Beitrag auf die Gedanken und Vorschläge des Vortrags eingehen.
Präsenz im mobilen Web
Bevor man sich auf das Entwickeln einer App stürzt, sollte man sich zunächst ein Konzept erstellen. Will man erfolgreich sein, so sollte man nicht einfach eine (vielleicht wenig sinnvolle) App anbieten. Denn es geht nicht um die App, sondern um die Präsenz im mobilen Internet.
Folgende 3 Fragen bestimmen die Vorgangsstrategie:
- Für wen will man mobilen Content anbieten?
- Welche Ziele will man im mobilen Web erreichen?
- Welche Maßnahmen sind dazu sinnvoll?
Zielgruppe
Widmen wir uns zunächst der ersten Frage. Diese beschäftigt sich mit der Zielgruppe. Wie so oft gilt es auch hier zunächst festzustellen, wer mein Produkt überhaupt benutzen wird. Dazu wurde ein nettes Comic-Bild präsentiert, dass bereits seit einiger Zeit im Internet kursiert.
Obwohl es auf Klischees basiert und übertrieben dargestellt ist, so lässt sich ein gewisser Wahrheitsgehalt feststellen. Will man eine reine Fun-App für Jugendliche machen, so hat man bestimmt auf iPhone und Android mehr potenzielle Käufer als bei Blackberry.
Ziele
Als nächstes werfen wir einen Blick auf die Ziele, die man mittels mobilem Web erreichen will.
- Markenführung, Image- und Produktwerbung
Darunter fallen zum Beispiel verschiedenste Fun-Apps, die hauptsächlich Aufmerksamkeit bringen sollen, aber keinen großen Nutzen bieten.
- Reichweite / Channels
Soziale Netzwerke, wie Facebook oder Xing
- Service
Einige Autohersteller bieten zusätzliche Serviceleistungen als Apps an. Man kann zum Beispiel das Auto auf der Karte am Smartphone lokalisieren lassen oder die Standheizung von weitem einschalten. Auch viele Banken bieten ihren Kunden Servicemöglichkeiten wie zum Beispiel Buchungen über das Smartphone durchzuführen.
- Verkauf von physischen Produkten und Dienstleistungen
Online-Verkauf wie Amazon oder die Möglichkeit Filialen in der Nähe zu finden.
- Erlöse mit digitalen Produkten
Dies umfasst kostenpflichtige Software, sowie kostenpflichtigen Content und durch Werbung finanzierte Anwendungen.
Umsetzungsmöglichkeiten
Nachdem nun mögliche Ziele abgeklärt sind kann man sich Gedanken über die Möglichkeiten deren Umsetzung mittels mobilem Web machen. Nun denkt man vielleicht sofort an eine App, doch gibts es einige Dinge, die man berücksichtigen sollte, wenn man eine App erstellen will. Eine App ist immer nur für ein Betriebssystem entwickelt und will man die Anwendung für Smartphones mit anderen Systemen bereitstellen, muss man die App portieren. Der Hardware Back Buttons bei Android-Phones ist nur ein Unterschied zum iPhone und es gibt noch viele weitere. Dies kann dazu führen, dass der Portierungsprozess unter Umständen sehr zeit- und kostenintensiv wird.
Vorteile von Apps
- Direkter Zugriff auf Smartphone-Features und Hardware
- Vertriebsplattform App Store
- Unmittelbare Userbeziehung durch Icon auf Home-Screen
Nachteile von Apps
- Native Entwicklung für einzelne Plattformen
- Auswahl nötig
- kann teuer werden
- Review-Prozess durch App Store
- fertige App nicht sofort verfügbar
- nicht sicher, ob die App überhaupt zugelassen wird
- Updates müssen erneut reviewed werden
Alternativ zur App kann man eine mobile Webseite bzw. Web App machen. Dabei müssen zwar gewisse Einschränkungen beachtet werden, doch vor allem in naher Zukunft durch Technologien wie HTML5 könnte die Web App an Stellenwert gewinnen.
Vorteile von Mobilen Websites / Web Apps
- plattformübergreifend im mobilen Browser verfübar
- kein App Store. Updates erscheinen sofort
- Entwicklung mit Standard-Webtechnologien
Nachteile von Mobilen Websites / Web Apps
- kein App Store als zentrale Vertriebsplattform
- eingeschränkter Zugriff auf Hardware
- Herausforderung Usability
- Geschwindigkeit
- Anpassung der Darstellung für unterschiedliche Geräte
Als weitere Möglichkeit bietet sich die Hybride App mittels Frameworks wie zum Beispiel PhoneGap an. Damit lässt sich eine Cross Plattform-Entwicklung von nativen Apps mit Webtechnologien umsetzen. Die gängigsten Plattformen werden unterstützt, doch ist dieser Ansatz für komplexere Aufgabenstellungen nicht zu empfehlen.
Wenn man selbst weniger Aufwand betreiben will, so kann man seine Inhalte bei einem Aggregator einstellen lassen. Diese Lösung ist günstig, schnell und pflegeleicht, bietet dafür aber wenig Möglichkeit des Customizings und nur begrenzte Funktionalität.
Idealerweise greift man nicht nur auf eine Lösung zurück, sondern kombiniert verschiedene Möglichkeiten, wenn Zeit und Geld dies zulassen.
think first, code later
Abschließend gab Bernd Lindemann bei seinem Vortrag noch ein paar Anregungen zur Vorbereitung beim Entwickeln einer iPhone App. Sein Leitsatz lautet think first, code later und folgende Fragen sollte man sich zu den Inhalten stellen, solange man sich noch im Planungsprozess steckt:
- Welche Inhalte benötige ich?
- Existieren die Inhalte oder müssen sie erstellt werden?
- Wie kommen die Inhalte in die App?
- Gibt es existierende brauchbare Schnittstellen?
- Müssen Inhalte gepflegt und aktualisiert werden?
Updates sind sehr wichtig für gute Apps und sollten von Anfang an geplant sein. Zukünftige Features sollten frühzeitig bei den Kunden angekündigt werden, denn damit bleibt man im Gespräch. Außerdem erhöhen regelmäßige Aktualisierungen den Lebenszyklus einer App und man kann auf Kundenfeedback reagieren.
Auch die Preisfindung ist ein Thema über das man sich im Vorfeld Gedanken machen sollte.
- Will man seine Applikation durch Werbung finanzieren oder kostenpflichtig anbieten?
- Einmalzahlung oder In-App Purchase? Beim In-App Purchase können direkt aus der App zusätzliche Inhalte kostenpflichtig bezogen werden. Zum Beispiel weitere Karten bei einem Navigationsprogramm
- Bezahlversion und kostenlose Lite Version?
- 79 Cent oder teurer?
Prinzipiell kann man den Preis einer App abhängig von der Zielgruppe und der vorhandenen Konkurrenz machen. Man sollte sich bewusst sein, dass man so gut wie immer mit großer Konkurrenz rechnen muss. Konkurrenzprodukte zu analysieren kann sehr hilfreich beim Erstellen der eigenen App sein. Es gilt Erfolgreiche und weniger erfolgreiche Konkurrenten zu vergleichen und versuchen herauszufinden worin die Unterschiede liegen. Die zu analysierenden Punkte umfassen:
- Features
- Design
- Usability
- Umfang der Inhalte
Für seine eigene App muss man versuchen einen oder mehrere dieser Punkte zu verbessern um erfolgreich zu sein.
Fazit
Vieles muss berücksichtigt werden, wenn man eine gute Präsenz im mobilen Internet aufbauen will. Plant man bereits im Voraus wichtige Entscheidungen, so kann man später viel Geld und Zeit sparen. Die Wahl zwischen App oder mobiler Webseite muss jeder für sich selbst treffen. Die im Beitrag erwähnten Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen sollten die Entscheidung aber etwas leichter machen.
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